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17.11.2017 | EU-Verteidigungsunion rückt näher
Die EU hat immer wieder zahlreiche Krisen (Griechenland, Flüchtlingsströme, Brexit) zu meistern. Seit der Jahrtausendwende nimmt in manchen Ländern die EU-Verdrossenheit zu.
Trotzdem hat sich beinahe schleichend eine EU-Politik entwickelt, die Union ist herangewachsen zu einer supranationalen Akteurin: Die Bevölkerungen der einzelnen Länder verfolgen in den Medien Referenden zu EU-Beitritten und nationale
Wahlen in Nachbarländern, die auch auf europäischer Ebene Auswirkungen haben (beispielsweise die Wahlen in Frankreich). Man könnte also von einer «Europäisierung der nationalen Politik» sprechen. Die EU ist zudem nicht mehr nur ein
Regelwerk, sondern greift aktiv ins Weltgeschehen ein – bezeichnend sind Schlagzeilen wie «EU droht mit Handelskrieg» oder «EU weitet
Sanktionen gegen Russland aus».
Im Nachgang zu den US-Wahlen und Donald Trumps Widerwillen, den europäischen Nato-Verbündeten uneingeschränkte Unterstützung zuzusagen, sahen sich die europäischen Länder einer neuen Herausforderung ausgesetzt: Wie sollen sie auf potenzielle militärische Herausforderungen reagieren, wenn auf die USA möglicherweise kein Verlass mehr ist?
Die einzelnen Länder hätten sich nach dem Vorbild der USA auf ihre eigenen Stärken berufen und eine nationale Sicherheitspolitik betreiben können. Stattdessen erhielt die alte Idee einer gemeinsamen Militär- und Sicherheitspolitik neuen Auftrieb: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte in einer viel beachteten Rede, dass die Europäerinnen und Europäer «unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen» müssen.
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Eine engere militärische Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedern findet tatsächlich bereits statt, so sind etwa deutsche Soldaten niederländischen Offizieren unterstellt und es gibt europäische Kampfverbände, die aus internationalen Truppen bestehen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entwicklung in Zukunft weitergeführt wird oder ob eine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik wieder in die Ferne rückt. Kritiker befürchten in dieser Entwicklung eine Aushöhlung nationaler Kompetenzen, während Befürworter darin eine effiziente Zusammenlegung von militärischen Ressourcen sehen.
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Nice to know
Handelskrieg gegen die USA
Die EU hat eine Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik (GASP), dieser Bereich umfasst die Zusammenarbeit der
EU-Länder bei der Aussen- und Verteidigungspolitik. Die GASP kann nur einstimmige Beschlüsse fassen, d. h., alle Länder müssen sich einigen, bevor ein Beschluss gefasst wird. Der Hohe Vertreter oder die Hohe Vertreterin der EU für Aussen- und Sicherheitspolitik
ist quasi der EU-Aussenminister bzw. die EU-Aussenministerin.
Die EU-Aussenministerin (zurzeit die ehemalige italienische Aussenministerin Federica Mogherini) hat die Aufgabe, die EU gegen aussen zu vertreten.
Eine Bündelung der EU-Kräfte findet auch auf wirtschaftlicher Ebene statt: Auch hier dürfte die Wahl von Donald Trump das Bedürfnis nach einer gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik
gesteigert haben. Als Trump androhte zum Schutz der amerikanischen Wirtschaft europäischen Stahlerzeugnissen Strafzölle aufzuerlegen, reagierte die EU, indem sie den USA mit einem Handelskrieg drohte. Auch wenn
eine derartige wirtschaftliche Auseinandersetzung unwahrscheinlich erscheint, zeugen die Drohgebärden der EU von einem
erstarkten Selbstbewusstsein.
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